1909 – 1989
Leitfigur zur Zeit der Geräteentwicklung
Ein Porträt von Walter Spitzenstätter
Zweifellos gehört Wastl Mariner zu den wichtigsten und schillerndsten Persönlichkeiten, die in der BR Tirol gewirkt und diese geprägt haben. Schon Zeit seines Lebens wurde immer wieder in breiter Öffentlichkeit die Bedeutung von Wastl Mariner als Pionier des Bergrettungswesens vorgestellt. Hier, im Rahmen der Niederschrift der historischen Entwicklung der BR Tirol, sieht es der Chronist als seine Aufgabe, nicht nur eine bloße Aufstellung aller Verdienste von Wastl Mariner zu formulieren, sondern, den geschichtlichen Ereignissen entsprechend, auch auf jene Eigenschaften hinzuweisen, die in mancher Beziehung problematische Entwicklungen in der BR zur Folge hatten.
Wastl Mariner wurde am 23.3.1909 in Inzing geboren.
Seine Berufsausbildung absolvierte er von 1925 – 1929 an der Bundesgewerbeschule für Maschinenbau in Innsbruck. Es folgten 4 Jahre Praxis in der steirischen Maschinenindustrie.
Am 15.1.1934 begann Wastl Mariner als Fachlehrer für Maschinenbau an der Bundesgewerbeschule in Innsbruck. Dort war er mit den Kriegsunterbrechungen tätig bis zu seiner Pensionierung im Juli 1969.
Wastl Mariner war ein begeisterter Alpinist und ist mit seinen Kameraden im Kreise des alpinen Klubs Karwendler zu bedeutenden Bergfahrten gekommen. Ein Auszug aus seinem Tourenbericht zeigt die Qualität seiner Unternehmungen:
1932: Dachl Nordwand, 4. Beg. 1934: Pelmo Nordwand, Einserkofel Nordpfeiler
1935: Öfelekopf Südpfeiler 1. Beg. mit Hias Rebitsch und Hans Frenademetz
1936: Cima Bussazza NW-Wand 2. Beg. 1937: Großhorn N-Wand 4.Beg., Großglockner N-Wand 4.Beg.
1938: Aig. Noire S-Grat, Mt. Blanc du Tacul Gervasutticouloir 2. Beg.
1939: Dent d’Hérens N-Wand 10. Beg., Sagwand N-Pfeiler 1. Beg. mit Paul Aschenbrenner
1954: Cordilliera Huayhuash 1963: Kilimandjaro, Mawenzi, Mt. Kenya, Ruwenzori
Vor allem mit der wegweisenden Erstbegehung am Sagwandpfeiler, setzte sich Wastl Mariner mit seinem Partner Paul Aschenbrenner ein Denkmal, das bis heute von allen Begehern als Topleistung aus dieser Zeit empfunden wird.
Als Funktionär diente Wastl Mariner im Alpenverein von 1939 – 1974 als Mitglied des VA des ÖAV, als Sachwalter für die Förderung des Bergsteigens und für das Bergrettungswesen. Dabei hat er die Bergsteigerschule des ÖAV gegründet, die er bis 1971 geleitet hat.
In der Bergrettung war Wastl Mariner seit 1939 in der Hauptstelle Innsbruck tätig und war zusammen mit Kuno Rainer die treibende Kraft bei der Konstituierung des selbständigen Vereins Bergrettung Tirol, der in den Jahren 1947 bis 1949 aufgebaut und im Jänner 1950 endgültig gegründet werden konnte.
Im Bundesverband des ÖBRD wurde Wastl Mariner 1946 zum technischen Leiter erkoren, was er bis Ende der 1970er Jahre geblieben ist.
1956 – 1974 wirkte Mariner als Landesleiter der BR Tirol.
Außerdem wurde Wastl Mariner bereits bei der Gründung der IKAR 1955 zum Vorsitzenden der technischen Kommission gewählt, was er ebenfalls bis Ende der 1970er Jahre geblieben ist.
Bei der Entwicklung von Bergrettungsgeräten arbeitete Wastl Mariner ab 1942 in der Heeres Gebirgssanitätsschule in St. Johann unter dem Erfinder des Stahlseilgerätes Dr. Fritz Rometsch mit und verbesserte später alle Geräte auf einen Stand, der zur Großfertigung ausgelegt war. Mariner entwickelte weiters eine Spillwinde und eine Rollsonde für die Lawinensuche.
Weitere Entwicklungen von Mariner im Alpinbereich:
1937: Schuhbeschlag 1949: Profilgummisohle mit Schrägstollenprofil
1950: Karabiner in Nierenform 1950: abnehmbarer Randbeschlag
1951: Leichtsteigeisen (starre Form) 1960: Eisspirale
Die große Bedeutung von Wastl Mariner als Bergretter begründet sich aus mehreren Faktoren.
Beim Studium der wichtigen Persönlichkeiten aus der ersten Epoche findet man mehrere Aktionisten, welche das Bergrettungswesen ins Leben gerufen haben und auch im Bemühen um den Aufbau der Bergrettung innerhalb des Alpenvereins sich verdient gemacht haben. Bis zum Erscheinen von Wastl Mariner gab es aber niemanden, der sein ganzes Leben in den Dienst dieser Sache gestellt hat. Mariner war der erste, der sich, aufgrund seiner profunden alpinen Tätigkeit, mit voller Begeisterung dem Rettungsgedanken aus alpinen Notlagen für Seinesgleichen widmete. Wastl war für die BR wie geschaffen. Seine Liebe zum Alpinismus in allen Formen, gepaart mit seinem handwerklichen Geschick, das er auch beruflich umsetzen konnte, befähigten ihn auf dem Gebiet der Rettungstechnik ganz wesentlich mitzuwirken.
Wastl kam in einer Zeit ins Geschehen, da erstmals intensiv an der Entwicklung von speziellen Geräten für BR-Zwecke gearbeitet wurde. Genau da passte Wastl hinein. In der Heeres-Gebirgssanitätsschule in St. Johann hatte er durch Dr. Fritz Rometsch die treibende Kraft und die Möglichkeiten zur Entwicklung von Rettungstechniken vorgefunden. Gemeinsam mit kongenialen Partnern, wie Wiggerl Gramminger, Hannes Schmidhuber, Kuno Rainer, wurde in der Zeit von 1940 bis 1945 der Grundstock der „modernen Bergrettungstechnik“ erarbeitet und erprobt.
Wastl Mariners besondere Fähigkeiten beschränkten sich aber nicht nur auf seine alpine Erfahrung, sein berufliches Wissen als Professor der Gewerbeschule und sein Engagement im Alpenverein für die Bergrettung, sondern vor allem sein Gespür für ein gutes Geschäft, seine Zielstrebigkeit im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe zur Herstellung der entwickelten Geräte, bildeten die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg, den nicht nur er persönlich, sondern auch die beteiligten heimischen Betriebe, für sich verbuchen konnten.
Dass sich nach dem 2. Weltkrieg, als die Bergrettung sich aus der Betreuung des Alpenvereins lösen musste, Wastl Mariner als Moderator und Funktionär der ersten Stunde in der nunmehr selbständigen Bergrettung Tirol zur Verfügung stellte, bildet den nächsten Schritt zur unvergleichlich tiefen Bindung von Wastl in der Bergrettung. Seine 18 Jahre währende Tätigkeit als Landesleiter der BR Tirol, sein Engagement im Bundesverband und in der IKAR, wo er überall bereits als Gründungsmitglied tätig war, vertiefte sein absolutes Aufgehen im Bergrettungswesen. Zeit seines Lebens war Wastl Mariner „die personifizierte Bergrettung“.
Wie jeder Mensch, so hatte auch Wastl Mariner neben all seinen positiven Eigenschaften, auch eine andere Seite, die sich weniger vorteilhaft für Teile seiner Umgebung auswirkten. Wastl war eine dominante Persönlichkeit, die seine Ziele konsequent und manchmal mit richtiger Verbissenheit verfolgte. Besonders schwer hatten es Personen, die in ähnlicher Position die gleichen Ziele verfolgten. Wenn es auf dieser Ebene zum Zusammentreffen von zwei ähnlich starken „Alphatieren“ kam, dann gab es für Wastl keine Kompromisse, er versuchte mit allen Mitteln seine Vorstellungen durchzusetzen.
Der erste „starke Gegner“ von Wastl war der Führer der Innsbrucker Jungmannschaft und Ausbildner im Bergrettungswesen, Hannes Schmidhuber, der auf seine Art stets das Wohl der „Jungen“ (Hermann Buhl, Erich Streng, Manfred Bachmann) im Kopf hatte und im Alpenverein hohes Ansehen genoss. Schmidhuber setzte sich dafür ein, dass Mariner 1942 von der Front in Frankreich nach St. Johann zur Heeres Gebirgssanitätsschule versetzt werden konnte. Als aber Schmidhuber die Leitung der Bergrettung in Innsbruck durch General Wolf, der von der Besatzung zum provisorischen Sachwalter des Alpenvereins bestellt wurde, übertragen werden sollte, kam starker Widerstand von Seiten Wastl Mariners. Diese beiden Menschen waren nicht geeignet nebeneinander Führungsverantwortung zu tragen.
Die sprichwörtlichen „Wirrnisse“ des zweiten Weltkrieges brachten auch in den Reihen der Bergrettung teils tiefgreifende Zerwürfnisse innerhalb der im AV tätigen Personen. Die anfangs offen gezeigte Begeisterung für das Nazi-Regime, wechselte bei etlichen Kämpfern später in den Übertritt zum Widerstand. Derart grundlegende Haltungsänderungen mussten unweigerlich zu Gegnerschaften führen und zu allem damit verbundenen Ungemach. Auch das Verhältnis Schmidhuber – Mariner war dadurch belastet.
Die nächste problematische Beziehung von Mariner zu einer Führungspersönlichkeit erwuchs langsam im Verhältnis zu Dr. Wolfgang Rabensteiner. Der Organisationsmensch Dr. Rabensteiner, der aus dem Bundesheer kam und im Land Tirol aufgrund seiner Erfahrungen bei der Bergrettung mit dem Aufbau des Zivil- und Katastrophenschutzes beauftrag wurde, übergab im Dezember 1955 die Landesleitung der BR Tirol an Wastl Mariner. Die Aufbauarbeit der ersten Zeit der BR Tirol als selbständiger Verein, hatte Dr. Rabensteiner stets im Auge und natürlich hatte er auch starke Vorstellungen wie es weitergehen sollte. In seiner Position im Land Tirol hat Dr. Rabensteiner immer wieder versucht, die sinnvolle Weiterentwicklung der BR voranzutreiben. Dabei ergaben oftmals wieder Konfliktsituationen mit Wastl Mariner, der ganz und gar gegen die von Dr. Rabensteiner angestrebte (und heute nicht mehr wegzudenkende) zentrale Leitung aller Rettungseinsätze durch das Land eingestellt war.
Mariners Idealvorstellung war ein System, das gänzlich dezentral geführt, die Einsätze direkt an die OST gemeldet, von diesen bearbeitet und durchgeführt werden sollten. Das ging so lange gut, so lange es keine Rettungshubschrauber gab. Spätestens ab 1983, als die Kommerzialisierung des Flugrettungswesens durch den ÖAMTC begann, konnte auf die von Dr. Rabensteiner initiierte zentrale Rettungsleitstelle nicht mehr verzichtet werden. Schade ist es um die viele Energie, die im Verlauf dieses Grundsatzstreites umsonst verpulvert wurde und speziell um das tragische Ende von Dr. Rabensteiner, der an diesem Dilemma persönlich stark zu leiden hatte.
Die größte Herausforderung für Wastl Mariner entstand durch das Eintreten von Gerhard Flora in den Bergrettungsdienst 1949. Der Medizinstudent war als Bergsteiger viel unterwegs und dadurch vom hehren Gedanken der Rettung aus Bergnot geistig voll infiziert. Flora war ebenfalls wie Mariner handwerklich sehr geschickt und hat von Beginn an bei der Suche nach Optimierungen, vor allem im medizinischen Bereich, mitgedacht und mitgewirkt. Vom Charakter her sind Mariner und auch Flora typische Führungspersönlichkeiten. Logischerweise machte sich diese Tatsache bald bemerkbar. Mariner hatte seine Vorstellungen auf Landesebene, Flora kümmerte sich vorwiegend um die Funktion des Rettungswesens in der OST Innsbruck.
Beide waren auch im Bundesverband tätig, wo es nicht selten zu Auffassungsunterschieden in manchen Bereichen kam. Flora war ein „gerader Michl“, der nirgendwo davor zurückschreckte Wahrheiten, auch wenn sie noch so unliebsam waren, offen auszusprechen. Den ersten großen Unmut Mariners handelte sich Dr. Flora dadurch ein, dass er bei jedem seiner Vorträge darauf aufmerksam machte, dass nicht Wastl Mariner, sondern Dr. Fritz Rometsch der Erfinder des Stahlseilgerätes war. Mariner war wohl später dazu gestoßen und hat wesentlichen Anteil an der Perfektionierung der „modernen Bergrettungstechnik“, hat diese aber nicht erfunden, so wie es bei der ersten großen Vorstellung 1948 in Chamonix behauptet wurde.
Mariner hatte die Darstellung der „österreichischen Erfindung“ so gerechtfertigt, dass im Falle deutschen Ursprungs, sämtliche Rechte und Patentansprüche nach Kriegsende an die Alliierten Mächte gefallen wären. Auf diese Weise konnte Mariner die Produktionsrechte in Tirol halten und die weitere Verbreitung der Geräte auf internationaler Ebene vorantreiben. Das war die Begründung des Mythos Wastl Mariner, der es verstanden hatte, nicht nur auf seinen eigenen Erfolg zu achten, sondern alles was die neue „moderne Bergrettungstechnik“ betraf, in der Heimat produzieren zu lassen und von hier aus zunächst die Bedürfnisse der BR in Tirol und später in ganz Österreich zu befriedigen und in weiterer Folge auch im weiten Alpenbogen, ja sogar bis in Übersee auszuliefern.
Seine Stellung als technischer Leiter des Bergrettungswesens sowohl im Alpenverein, als auch bei der neu gegründeten Bergrettung in Österreich, machten Wastl Mariner zur Leitfigur der zweiten Epoche, der Epoche der Einführung und Verbreitung der „modernen Bergrettungstechnik“.
Dr. Flora hat an vielen Details und bei Zusatzgeräten der Rettungsausrüstung an der Entwicklung maßgeblich mitgearbeitet. So stammt z.B. die „Fußstütze mit Extensionsvorrichtung“ zur Gebirgstrage und im Akja von Dr. Flora. Eine Erwähnung des hauptsächlichen Entwicklers hat man öffentlich nie erfahren. Ähnlich ergangen ist es den eigentlichen Erfindern der Gummi-Klettersohle. Allgemein bekannt ist die erste Entwicklung auf diesem Gebiet von Wastl Mariner, die er unter der Marke „Marwa-Sohle“ vertrieben hatte. Vittorio Bramani hatte zur selben Zeit mit seiner „Vibram-Sohle“ gleichermaßen Erfolg. Der ursprüngliche Erfinder, nämlich der erste Kletterer, der die Verwendung einer Gummisohle ausprobierte, war der Innsbrucker Kletterer Bernhard Pfeiffer, der sich alte Autoreifen zurechtgeschnitten hatte und diese auf seine Manchonpatschen klebte. Auch Hannes Schmidhuber experimentierte mit Gummisohlen, die er damals Wastl Mariner zeigte. Es dauerte daraufhin nicht mehr lange bis die erste Marwa-Sohle verkauft wurde und einen wahren Siegeszug bei den Bergschuhen antreten konnte.
Die große Gegnerschaft zwischen Mariner und Dr. Flora wurde in den 1970er-Jahren deutlich, als der Umbruch von der zweiten in die dritte Epoche bevorstand. Während Wastl Mariner der absolute Dominator der zweiten Epoche war, kam nun eine neue Zeit, für die Wastl nicht ausgesprochen geboren war. Er war der handwerkliche Techniker, der die in St. Johann durch Dr. Rometsch erfundenen Geräte weiter entwickelte, perfektionierte und für deren internationale Verbreitung sorgte. Nun aber brach ein neues Zeitalter heran, die Weiterentwicklung der Bergrettungstechnik möchte man vielleicht sagen, durch die Möglichkeit der Rettung aus der Luft mittels Hubschrauber. Diese Technik allerdings lag nicht mehr scharf abgegrenzt im Bereich der Bergrettung, sondern wurde von außen herangebracht und der BR zur Verfügung gestellt. Allein der finanzielle Aspekt macht klar, dass es sich um technische Entwicklungen handelt, die innerhalb der BR niemals hätten erfolgen können.
Somit ergab sich eine völlig neue Situation. Mariner war fest verwurzelt in der von ihm aufgebauten Struktur der Ortsstellen. Diese waren es gewohnt, alles was sie brauchten in der LL anzufordern und in ihrem Betätigungskreis nach ihren Erfordernissen anzuwenden. Nun kamen aber zwei Hubschrauber, wovon einer in Innsbruck und der andere in Schwaz stationiert war. Nicht jede OST konnte jederzeit auf einen der Hubschrauber zugreifen. Das sah man ein. Nicht einsehen konnte man aber, dass es nicht möglich sein könne, bei jedem Flugrettungseinsatz, zunächst die zuständige OST anzufliegen, dort die örtlichen Bergretter aufzunehmen und mit diesen die Bergungen durchzuführen. Wastl Mariner verfolgte mit Vehemenz diese Zielvorstellung der Ortsstellen und kam dadurch in argen Konflikt mit dem jüngeren Mann, der inzwischen durch seine große Reputation auf medizinischer Ebene auch in der Bergrettung bereits große Bedeutung erreicht hatte. Dr. Gerhard Flora hatte sich genau um denselben technischen Fortschritt gekümmert, wie es Wastl Mariner am Beginn der zweiten Epoche getan hatte. Waren es damals die Bergrettungsgeräte, die die Epoche bestimmt hatten, so ist es nun das Flugrettungswesen, das die dritte Epoche prägt.
Der große Unterschied der beiden Techniken liegt im Bereich der Finanzierung. Während man die BR-Geräte noch mit dem Alpenverein und viel kaufmännischem Geschick innerhalb der BR verwalten konnte, war das mit den Fluggeräten natürlich nicht mehr möglich. Man war nun angewiesen auf die Mithilfe des Staates und dabei an die Vorgaben der verantwortlichen Stellen gebunden. Die Möglichkeit Flugrettung auf kommerzieller Basis in Zusammenarbeit mit Versicherungen zu organisieren, wurde uns von den Vorarbeitern auf diesem Gebiet in der Schweiz gezeigt. Für österreichische Verhältnisse musste eine Lösung erarbeitet werden, die auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten war. Der Mann der sich am intensivsten mit der neuen Thematik befasst hatte war Dr. Gerhard Flora. Mit seinem Organisationstalent und seiner Vision in Sachen Flugrettung, war er zur damaligen Zeit der einzige, der eine klare Vorstellung hatte wie wir in Österreich die Flugrettung gemeinsam mit der Bergrettung aufziehen müssten. Leider lag er damit im klaren Widerspruch zu Wastl Mariner, der sich immer mehr von Dr. Flora abwandte. Einen offenen Konflikt hatte Mariner immer vermieden, zu stark war Dr. Floras Einfluss im Bereich der Medizin auf Bergrettungsebene. Eine Chance auf diesem Gebiet einen Gegenpol zu finden, der Dr. Flora Paroli bieten könnte, erhoffte sich Mariner durch das Auftauchen von Dr. Jenny, der aus Vorarlberg kommend, in Tirol im Bundesheer medizinisch tätig war und durch seinen Einfluss bei der Hubschrauberstaffel des Bundesheeres in Schwaz, als großer Hoffnungsträger galt, für die Vorstellungen von Mariner in dieser neuen Zeit.
Mariner erkannte, dass seine große Zeit zu Ende ging und er nun die Führung der BR Tirol in jüngere Hände legen sollte. Gemeinsam mit Dr. Jenny würde man schon einen Weg finden, die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Dass Mariners Hoffnung, in der Person von Walter Spitzenstätter den richtigen Nachfolger gefunden zu haben, fehlgeschlagen ist, ist besonders schade, weil dies eine vergebene Chance war, durch die gute Freundschaft Spitzenstätters mit Dr. Flora, diesen ins Geschehen zu integrieren und damit die Möglichkeit zu eröffnen, zielstrebig ein Flugrettungswesen aufzubauen, das unseren Vorstellungen entspricht. Zumindest was die Bergungen aus unwegsamem Gebiet betrifft, sollte die Bergrettung, der einzige Ansprechpartner bleiben und es sollten auch volkswirtschaftlich vertretbare Bedingungen zu Grunde liegen, damit die BR sowohl vom Staat, als auch von der Bevölkerung voll akzeptiert werden kann. Diese Zielvorstellung konnte damals leider nicht einmal ansatzweise angegangen werden, weil die Meinungsunterschiede von Mariner und Dr. Flora einfach zu weit auseinander lagen. Jedenfalls wurde das ambitioniertes Engagement Spitzenstätters als Landesleiter, durch die plötzliche Abkehr Wastl Mariners vom jungen Vereinsvorstand, jäh beendet. Dr. Flora hingegen setzte seine Bemühungen für die Einführung einer flächendeckenden Versorgung Österreichs mit Rettungshubschraubern, die sowohl mit den medizinischen Geräten, wie auch mit einem Flugretter und einem Notarzt ausgestattet sein müssen, unbeirrt fort.
Schade ist auch, dass Wastl Mariner durch die unüberwindbaren Gegensätze in der damaligen Landesleitung, gezwungen war, gemeinsam mit Spitzenstätter als Landesleiter zurückzutreten. Ein wesentlich ehrenvolleres Ende seiner Führungstätigkeit in der BR Tirol wäre ihm sicher gewesen, hätte er sich dazu entschließen können, bei der Übergabe seines Amtes an seinen Nachfolger, diesen auch wirklich handeln (und wachsen) zu lassen. Er selbst wäre in jedem Fall (sowohl bei Gelingen, als auch bei Scheitern der Vorstellungen im Flugrettungswesen) gänzlich unbelastet geblieben.
Zur Landesleitungssitzung vom 20. März 1989 wurde Wastl eingeladen, weil man anschließend an die kurz gehaltene Sitzung eine Geburtstagsfeier zu seinem Achtziger arrangiert hatte. Kurz nach dieser Geburtstagsfeier starb Wastl Mariner am 3. April 1989 plötzlich und unerwartet. Er wurde aus einem Leben gerissen, das er bis zuletzt so aktiv gestaltet hatte wie es nur möglich war. Die Ehrung durch die Landesleitung in Form der gemeinsamen Geburtstagsfeier hatte ihn sehr gefreut. Allerdings schien Wastl schon eine Vorahnung gehabt zu haben, dass er nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt zur Verfügung haben wird. Kurz vor seinem Ableben fand nämlich noch eine menschlich bedeutungsvolle Begegnung statt. Wastl besuchte gänzlich überraschend Dr. Gerhard Flora in seinem Büro im 12. Stock der Innsbrucker Klinik und bemühte sich in einem sehr herzlich geführten, offenen Gespräch, mit seinem Bergrettungs-kameraden Gerhard, endlich Frieden zu schließen.
Ohne den Inhalt dieses Gespräches zu kennen, erlaube ich mir doch eine persönliche Wertung dieses Treffens zu versuchen. Es erscheint mir wie eine Art Abrundung all jener Fakten zu sein, die sich im Laufe des Lebens der beiden bedeutendsten Repräsentanten der österreichischen Bergrettungsgeschichte angesammelt haben. Die grundsätzlich gleichartigen gemeinsamen Interessen und Ziele im Bergrettungswesen, haben die beiden Akteure an der vordersten Front der Organisation immer wieder zusammentreffen lassen. Die unterschiedlichen Charaktere, gepaart mit gleichwertiger Durchsetzungs-Kraft und -Vehemenz, hatten eine sehr bedauerliche Entfremdung dieser „Alphatiere“ des österreichischen Bergrettungswesens bewirkt. Jetzt, am Ende des Lebens, setzt sich die Sehnsucht nach Harmonie durch und es wird ein Schritt getan, der, wäre er bereits um 1970 herum erfolgt, die Entwicklung des österreichischen Bergrettungsdienstes nicht nur stark beeinflusst, sondern vor allem wesentlich einfacher und rascher erfolgreich gestaltet hätte.
Besondere Bedeutung hat die Kenntnis dieses Treffens deshalb für mich, weil ich erst bei einem meiner letzten Besuche bei Dr. Gerhard Flora im Oktober 2015, gesprächsweise davon erfahren habe. Auf wahrscheinlich ähnlich gelagerter Motivation wie für Wastl Mariner, war es auch für Gerhard Flora von Wichtigkeit, mir von diesem, auch für ihn bedeutungsvollen Friedensschluss zu berichten. An diesem Tag hatte Gerhard auch bereits gefühlt, dass er nicht mehr lange zu leben hat.
Egal wie hoch man die menschlichen Qualitäten von Wastl Mariner schätzt, egal wie wichtig man seine technischen Entwicklungen hält, allein die Intensität und die Vielfalt seiner Tätigkeit im Bergrettungswesen ein ganzes Leben hindurch, hat ihm von allen Seiten der Bergsteigerschaft hohe Anerkennung eingebracht. Während der zweiten Epoche der Geschichte der Bergrettung wird Wastl Mariner jedenfalls für immer als die Leitfigur in Erinnerung bleiben.
Der Aufnahmeantrag von Wastl Mariner, zur Zeit (1947) wo die BR Tirol als eigener Verein gegründet wurde.
Er war damals, wie hier ersichtlich, auch selbst Ortsstellenleiter von Innsbruck