Die Im-Berg-Rettung

„Leucht einmal hinein – sieht man da den Boden?“ Aus erwachsenen Männern werden Kinder wenn sie an diesem Loch stehen: 180 Meter pfeift der Schacht senkrecht in die Tiefe. Er gehört zum Entlüfungssystem des Brennerbasistunnels und erweitert das mögliche Einsatzsspektrum der Bergrettung Innsbruck. Normalerweise sind wir es gewohnt, auf den Berg zu steigen. Nun geht es in den Berg hinein.

In einer eindrucksvollen Übung konnten wir gemeinsam mit den Baufirmen und dem TÜV das Bergekonzept für den Schacht entwickeln. Passende Anschlagpunkte wurden geschaffen, und nun galt es auszuprobieren ob die beabsichtigte Methode mittels Mannschaftsseilrolle und 400 Meter Dyneema-Seil die richtige war.

Ein mulmiges Gefühl beschleicht einen, wenn man die Arbeitsplattform im Inneren des Schachts betritt. Beinahe zwanzig Minuten dauert die Fahrt ins senkrechte Dunkle. An den glatten Wänden fließt das Wasser und wird in der Tiefe zu Regen. Es ist dunkel, Licht ist keines installiert. „Es gibt hier in Alleinarbeitungsverbot“ erklärt der Mitarbeiter der Baufirma ihre igenen Sicherheitsvorkehrungen. Am unteren Ende des Schachts angekommen zeigt sich, dass es nur eine einzige Fluchtmöglichkeit gibt: nach oben. Der Weg nach unten ist mit Stahl verwehrt.

Da erscheint am nur mehr münzgroß sichtbaren Einstiegsloch schon die Silhouette von zwei Bergrettern mitsamt Trage. Beständig seilen sie ab, und nach elf Minuten ist der Boden des Schachts erreicht. Die Sicherungsmaßnahmen werden heute etwas fahriger überprüft als sonst – für uns alle ist die Situation im Berg ungewohnt, noch dazu umgeben von lauten Ventilatorengeräuschen.

Mit einem kleinen Ruck hebt die Trage mit den zwei Rettern und mir als Opfer vom Boden ab. Nun gilt es zu vertrauen: Ins Material und darauf, dass die unsichtbaren Kameraden 180 Meter höher alles richtig gemacht haben. Über Funk sind sie nur undeutlich zu verstehen. Die Trage hebt sich weiter, es dürfte wohl alles in Ordnung sein. Nun wird oben gearbeitet, jeder Handgriff sitzt. Wir beginnen uns zu entspannen. Kühl ist es im Schacht.

Aus der münzgroßen Öffnung wird ein handtellergroßes Loch. Man erkennt wieder Schemen am Rand. Da blickt der erste Kopf über die Brüstung, das Loch erreicht wieder Dimensionen die wir gewohnt sind. Die Trage fährt der Wand entlang, die Retter positionieren sich neu, acht Hände greifen über die Brüstung – das Tageslicht hat uns wieder und wir wissen: die Bergrettung Innsbruck ist gerüstet. Für Einsätze am Berg und auch innen drin.

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