Dramatische Einsätze in der Nacht

LeserInnen unserer Homepage kennen die Sillschlucht als häufigen Ort von Unfallgeschehen. Am vergangenen Wochenende war die Sillschlucht ein Ort herausfordernder Einsätze wie wir sie zum Glück nicht so oft erleben müssen. Um 1.30 Uhr nachts von Samstag auf Sonntag war eine bewusstlose Person in der Sillschlucht gemeldet worden, und zwar nach einem Absturz über 15 Meter Höhe. Von Anfang an war uns deshalb die Dramatik der Situation bewusst und es war klar, dass schnellstens notärztliche Versorgung zum Patienten gebracht werden muss. Glücklicherweise können wir auf diese medizinische Kompetenz in der Ortsstelle selbst zurückgreifen, und noch mehr Glück war es dass das auch mitten in der Nacht möglich war.

Mit 7 verfügbaren Bergrettern sind wir deshalb so schnell wie möglich in die Sillschlucht eingerückt wobei uns die Ortskenntnis vergangener nächtlicher Einsätze beträchtlich hilft. Tatsächlich stellte sich heraus, dass eine Person 12-15 Meter über eine senkrechte Felswand abgestürzt war. Einfluss von Suchtgiften war nicht auszuschließen. Wir begannen mit der Erstuntersuchung vor Ort und konnten glücklicherweise Spontanatmung trotz weitergehender Verletzungen feststellen. Die notärztliche Versorgung umfasste Medikamentengabe und Immobilisation. Der Abtransport zu den Bahngleisen erfolgte behelfsmäßig gesichert in der Gebirgstrage. Über den Notfallkoordinator der ÖBB war es gelungen, eine Rangierlok in die Sillschlucht bekommen, wobei die Gleise ansonsten gesperrt wurden. Das war auch notwendig, weil viele Partygänger auf und in der Nähe der Gleise unterwegs waren. So wurde die Lokomotive zur “Notarztlokomotive” und wir transportierten den Patienten zum Hauptbahnhof Innsbruck, wo wir ihn der Notärztin des Regelrettungsdienstes und dem Rettungstransportwagen übergeben konnten.

Just im Moment der Übergabe kam die Meldung über einen Folgeeinsatz an der exakt gleichen Stelle über Bergretter, die noch in der Sillschlucht verblieben waren. Eine weitere Person war abgestürzt. Wir fuhren deshalb unmittelbar mit der Lokomotive wieder in die Sillschlucht ein zum nunmehr bereits bekannten Unfallort. Erneut war ein junger Mann abgestürzt, dieses Mal jedoch zum Glück aus geringerer Höhe. Auch hier erfolgte wieder Medikation vor Ort, insbesondere Schmerzmedikation. Nach Immobilisation transportierten wir wieder auf dem gleichen Weg mittels behelfsmäßig gesicherter Gebirgstrage und “Notarztlokomotive” zum Hauptbahnhof, wo wir an das gleiche Team der Rettung übergeben konnten, die bereits den ersten Patienten in den Schockraum verbracht hatten.

Am Einsatz waren neben der Bergrettung Innsbruck auch die Polizei, der Regelrettungsdienst, Kräfte der ÖBB und der Leitstelle Tirol beteiligt. An alle – insbesondere auch die ÖBB und die Leitstelle Tirol – soll an dieser Stelle ein besonderer Dank ausgesprochen werden. Ohne ihre Flexibilität und Kompetenz wäre es nicht möglich, solche Einsätze abzuwickeln. Die beiden Patienten wurden von der Bergrettung Innsbruck bestmöglich versorgt und sind nach ersten Informationen stabil. Wir als Bergretter haben darüber hinaus festgestellt, dass in der Sillschlucht viele Partygänger unterwegs waren, viele davon nicht einmal mit Lampen ausgerüstet. Unter Alkohol und möglicherweise Drogeneinfluss muss es hierbei in der Sillschlucht beinahe zwangsläufig zu Unfällen kommen. Viele Unfälle werden wohl nicht so dramatisch enden sondern bei kleineren Blessuren bleiben. Binnen Sekunden kann so ein Unfall jedoch ein Leben nachhaltig negativ beeinflussen, weshalb wir nur von nächtlichen Aktionen unter Beeinträchtigung in der Sillschlucht abraten können.

Als Bergrettung Innsbruck wissen wir nach diesen herausfordernden Einsätzen jedenfalls auch sehr deutlich wofür wir in den vergangenen Wochen trotz Coronasituation geübt haben und wie wichtig es ist, dass BergrettInnen durch Impfschutz auch bei solchen Einsätzen vor unnötigen Risiken geschützt sind.(gebi)

Mehrere Medien berichteten über den Einsatz am Wochenende, unter anderem die Tiroler TageszeitungORF Tirol online und Tirol heute