Eine Weihnachtsgeschichte

„Wisst ihr eigentlich wie es zu den heute traditionellen Weihnachtsfeiern der BR Ortsstelle Innsbruck gekommen ist – wie es mit der ersten Veranstaltung begonnen hat?“ Diese Frage stellte Kurt Pittracher beim gemütlichen Zusammentreffen von „BR-Urgesteinen“ am Heiligen Abend 2022. Wenn der Kurt einmal richtig in Schwung kommt beim Erzählen, dann wird es meist richtig spannend – von unzähligen Erlebnissen der ernsten und auch der heiteren Art, aus seiner Zeit als Ausbildungsleiter der Ortsstelle Innsbruck, kann er mit dem Feuer der einstigen Jugend berichten und die Zuhörer in emotionale Aufmerksamkeit versetzen.

„Hat es die Weihnachtsfeiern nicht schon immer gegeben?“ wollte Bruno wissen. „Nein“, sagte Kurt, „erst 1950 wurde die BR Tirol als eigenständiger Verein gegründet und bei der Ortsstelle Innsbruck gab es wohl kameradschaftliche Treffen, aber jedes Jahr eine eigene Weihnachtsfeier hat man bei uns nicht veranstaltet.“
Plötzlich wurde das Interesse der alten Haudegen geweckt – was hatte der Kurt diesbezüglich im Kopf, von dem heute kaum mehr jemand Kenntnis hat? Natürlich musste Kurt seine Geschichte sofort erzählen, wobei es zunehmend ruhiger wurde, je weiter er mit seinem Bericht kam.

„Es war der 24. Dezember 1970, ein Donnerstag, da wollten wir am Vormittag noch eine Lawinenübung machen, damit es nicht gar so lange dauert bis endlich am Abend das Christkind kommen kann. Mit Jeep und Anhänger mit all der Ausrüstung, die wir für eine realistische Übung brauchten, fuhren wir in Richtung Kemater Alm. Auf der langen Geraden vom Völser Bichl nach Götzens überholte uns ein schneller PKW und bedeutete mit Handzeichen, dass wir stehen bleiben sollten. Zunächst ging mir vieles durch den Kopf was dieser Mann wohl von uns wollen könnte, schließlich entschloss ich mich doch am Rand der Straße anzuhalten.
Der Autofahrer stieg aus seinem Wagen aus und kam flotten Schrittes auf mich zu. Ich saß noch am Steuer des Jeeps, als der Mann aus seiner Brieftasche eilig fünf Hundert-Schilling-Scheine zog, die er mir fest entschlossen übergab, mit den Worten: ‚Mander lassts es enk guat gehen – es habts es wirklich verdient!‘ All meine Versuche ihn zu befragen woher der Grund dieses mehr als überraschend großzügigen Geschenkes kommt, schlugen fehl, der Mann hörte mir nicht mehr zu, er hatte sich umgedreht und war auf und davon.
Wir konnten es gar nicht fassen, dass jemandem plötzlich einfällt der Bergrettung eine derartige Überraschung zu bereiten. Man kann den Wert der damaligen 500 Schilling heute ohne weiteres mit der derzeitigen Kaufkraft von 500 Euro vergleichen – nur hatten wir damals noch wesentlich weniger Budget zur Verfügung und waren deshalb geradezu verzückt, als wir uns ausmalten, was wir alles damit anfangen können.
Oberhalb der Kemater Alm richteten wir eine realistische Szene für die Suche eines Lawinenverschütteten ein. Das Suchen mit Hund und mit den Sonden wurde trainiert, auch das Ausgraben des Opfers, wobei wir ganz schön ins Schwitzen gekommen sind. Insgeheim freuten sich die Kameraden schon auf das Ende der Übung, weil sie wussten, dass wir es uns anschließend in der Alm „gut gehen lassen würden“ – so wie es uns die Intention des flotten Autofahrers bestimmt hatte. Es gab was zu essen und einige Bierlein sind getrunken worden, die Gitarre erklang, es wurde gesungen und ‚gehoangaschtet‘ dass es eine wahre Freude war. Alle waren begeistert von dieser ungeplanten Feierlichkeit. Als es zu dämmern begann wurde klar, dass wir schleunigst nach Hause mussten – wir wollten das Christkind ja nicht warten lassen . . .
Bei der Rückfahrt haben sich die Kommentare zu dieser ‚geförderten Gemütlichkeit‘ immer stärker darauf konzentriert, dass man in Zukunft jedes Jahr zu Weihnachten eine Veranstaltung in diesem Sinne abhalten sollte. Daraus hat sich schließlich tatsächlich die Tradition unserer Weihnachtsfeiern entwickelt.“

„Das ist ja eine richtige Weihnachtsgeschichte, die uns der Kurt hier erzählt hat“, sagte Bruno, die müssen wir unbedingt unseren heutigen jungen Kameraden zur Kenntnis bringen!“ (Spitz)