Um die Ehrengäste, die beim Spatenstich für die Brennerautobahn anwesend sein werden, zu überraschen, beauftragte das Tiroler Landesbauamt den Bergrettungsdienst, an der Stelle, wo künftig die höchste Brücke Europas beide Talseiten verbinden wird, ein Stahlseil zu spannen. Zur Spannung des Seiles hatte die Landesbaudirektion einen Hubschrauber aus Wien angefordert. Die Bergrettung Innsbruck sollte das 1000m lange Stahlseil, das auf der Patscher Seite stationiert wurde, am heranschwebenden Hubschrauber einklinken, worauf der Hubschrauber das Tal überfliegen sollte und auf der Schönberger Seite, das Seil, an dem ein großer, schwerer Anker angehängt war, ausklinken und abwerfen. Das endgültige Spannen wäre dann kein allzu großes Problem mehr gewesen. Wir Bergretter sollten zusätzlich beim Abspulen des Stahlseils in regelmäßigen Abständen bereits vorbereitete Fähnchen aufstecken, um auf diese Weise den hohen Gästen den zukünftigen Verlauf der Brücke möglichst gut vor Augen bringen zu können.
So weit der Plan. Um für eventuelle Pannen möglichst in jeder Situation gerüstet zu sein, hatte der Pilot eine Ausklinkvorrichtung im Hubschrauber, von der aus er jederzeit in der Lage sein sollte sich von der Last zu trennen, wenn etwas Unerwartetes eintreten sollte. Ebenso stellten wir einen Mann direkt an die Seiltrommel, bewaffnet mit einer riesigen Schlagschere, die im Moment der Gefahr ein Kappen des Seiles ermöglichen sollte. Das ganze Manöver war für 04h früh angesetzt, weil aus Sicherheitsgründen der gesamte Strom der Hochspannungsleitungen und auch der Eisenbahn abgeschaltet werden musste.
Die Tiroler Tageszeitung berichtete von dieser „Bergrettungsaktion“ am 24.4.1959:
Als das dünne Seil mit dem Anker am Rumpf des Hubschraubers befestigt war, flog Major Kubert direkt die gegenüberliegende Talseite an. Es waren bereits 50m Seil von der Winde gerollt, als sich das Stahlseil verklemmte und nicht weiter ablief. Durch den Zug wurde die Winde hin und her gerüttelt, während der Helikopter in eine äußerst bedenkliche Situation geriet. Major Kubert versuchte auszuklinken, doch infolge des starken Zuges versagte die Ausklinkvorrichtung. Auch der Versuch bei der Winde das Seil zu kappen, misslang. Nach bangen Sekunden riss zum Glück das Seil durch die hohe Beanspruchung und der Pilot konnte den Hubschrauber gerade noch abfangen.
Beim anschließenden Flugmanöver in der Talmitte löste sich der Anker ungewollt und fiel mehr als 200m in die Tiefe. Man fand ihn später im Garten eines Wohnhauses. Durch die Wucht des Aufpralls stak der ca. einen Meter lange Anker fast zur Gänze im Boden. Nicht auszudenken, wenn der Anker direkt in das Haus gefallen wäre, oder gar jemanden getroffen hätte.
Wenn man bedenkt, dass bei diesem Versuch das Leben des Piloten auf dem Spiel stand, der Hubschrauber, der einige Millionen Schilling wert ist, gefährdet war und 1000m Stahlseil des Bergrettungsdienstes unbrauchbar geworden sind, dann zwingt sich dem objektiven Betrachter wohl die Frage auf, ob dieser Aufwand und dieses Risiko tatsächlich gerechtfertigt sind, um einigen prominenten Gästen die Lage der geplanten Brücke anschaulich zu machen. Selbstverständlich kann der Übereifer, der da an den Tag gelegt wurde und von dem die Ehrengäste nichts wussten, auch nicht den „Prominenten“ angelastet werden. (spitz)
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