Über den Wolken am Hechenbergl

Für diesen ganz besonderen Tag – im Tal eine durchgehende Wolkendecke und über 1200m ein strahlend blauer Himmel – hat sich eine Innsbrucker Familie einen ganz besonderen Anstieg auf den “Hechenberg” ausgesucht.

Eigentlich ist der ausgewählte, extrem steile Steig durch das Begehen von Jägern und Kletterern bei ihrem Abstieg entstanden, daher findet man ihn auch nicht in allen Karten. Er ist nicht nur eine Herausforderung im Aufstieg, sondern erfordert auch alpine Erfahrung bei der Begehung. An diesem Tag waren die Tiroler Tallagen alle durch eine durchgehende Wolkendecke verhüllt. Unterhalb war das Wetter grausig kalt und düster, darüber wolkenlose und freundlich. Ein Bilderbuch-Wanderwetter wie man sich das eben so wünscht. Aber wie erwähnt… erst oberhalb der Wolkendecke.

Schon unterhalb des Hechenbergls – das ist eine art Vorgipfel, ca. 350m unterhalb des Hechenberg Südturms –  bemerkte die Tochter, dass für sie der Aufstieg immer schwerer wurde und sie sich nicht mehr gut fühlte. Man entschloss sich noch bis zum Hechenbergl hinauf zu steigen und dann eine Rast einzulegen. Dort angekommen ging es aber der Tochter immer schlechter und sie musste sich übergeben und fühlte sich extrem schwach. So war ein Weitergehen unmöglich. Da sich der Zustand der Tochter immer weiter verschlechtere, entschloss man sich einen Notruf abzusetzen.

Um 13.30 Uhr ging dann bei der BERGRETTUNG INNSBRUCK der Notruf ein: “Hechenbergl – Erbrechen akut, Schockzeichen”. Mit dieser Meldung war unser Einsatzleiter gleich mal richtig gefordert! Was tun bei diesem Krankheitsbild und bei diesem Wetter? Wie sieht es mit einem Hubschrauber aus? Nach einer gründlichen Abklärung war klar, da müssen wir rauf um weiter keine Zeit zu verspielen… die Tage Ende November sind kurz und wenn es dunkel wird, wird es auch noch richtig kalt!

Hubschrauberbergung zweifelhaft – wir starten terrestrisch

Wir starteten mit 6 Mann Richtung Neue Magdeburgerhütte und organisierten einen 2. Trupp, der uns vielleicht später noch unterstützen könnte. Zuerst gingen wir vom Auto in Richtung Gipfelkreuz am Hechenberg Südturm. Dort angekommen staunten wir über diesen grandiosen Ausblick. Wir konnten aber keinen Halt machen, da unsere Patientin dringend unsere Hilfe benötigte. Die erste Standortübermittlung mit “Kirchbergköpfl” war leider absolut falsch. Unser Einsatzleiter ließ sich nochmals die Koordinaten vom Vater der Patientin übermitteln und daraus ging eindeutig hervor, dass sie am Hechenbergl waren. Das bedeutete für uns noch 350Hm abzusteigen!

Am Gipfel des Hechenberg Südturms

Nun führte unser Weg über die Nordostflanke des Hechenbergs. Dort wartet Eis und Schnee auf uns und verlangsamte unser Weiterkommen merklich. Vorsichtig stiegen wir mit unserem gesamten Material in Richtung Patientin ab. Unser Einsatzleiter ging schnellen Schrittes voraus, er wollte sich so schnell als möglich um die Patientin kümmern, der es immer schlechter ging. Die Mannschaft folgte sicheren Schrittes über den sehr steilen Steig, der sich schon total im Schatten befand.

In der Nordostflanke des Hechenberges

Perfekte Patientenversorgung

Bei der Patientin angekommen, kümmerten wir uns sofort um ihren Zustand. Unser Einsatzleiter (mit medizinsicher Ausbildung) konnte der Patientin eine Leitung legen, damit wir ihr eine Infusion verabreichen konnten. Inzwischen kümmerten wir uns auch um die Eltern. Natürlich waren alle schon sehr ausgekühlt und hatten zu kalt. In solchen Situationen kommt dann unser Wärmezelt zum Einsatz. Wenn wir unseren Patienten erklären, dass wir nun ein Zelt auspacken und wir uns alle darunter “verkriechen”, werden wir oft mit großen Augen angesehen. Aber bereits nach kurzer Zeit unter dem Zelt bemerken sie wie schnell es warm wird und welch gutes Gefühl dieses einfache, aber so wirkungsvolle Hilfsmittel verleiht.

Rettungszelt – Patientin u. Retter sind gut eingehüllt.

Nun ging es darum die Bergung der Patientin zu organisieren. Selbständiges Absteigen war unmöglich. Die Patientin war total erschöpft und musste sich ständig übergeben. Ein Abtransport über den Steig, wäre eine riesige Herausforderung – sowohl für die Patientin wie auch für die Bergretter.

Hubschrauberunterstützung unter Ausnahmebedingungen

Während man sich weiter um die Patientin kümmerte, versuchte man nochmals die Unterstützung eines Hubschraubers anzufordern. Der in Innsbruck stationiert C1 versuchte es an diesem Tag zwei Mal, aber eine Durchkommen durch die Nebeldecke war unmöglich. So mussten wir uns etwas anderes überlegen. Steht kein anderer Hubschrauber in Tirol über der Wolkendecke? Alpin 2 in Sölden? Nach Abklärung mit der Leitstelle erhielten wir die Meldung, dass der Alpin 2 starten könnte und es versuchen wird. Während des Anfluges stieg jedoch die Nebeldecke immer höher und plötzlich war auch unser Standort völlig im Nebel. Man konnte den Hubschrauber schon hören, aber die Crew konnte uns nicht sehen. Wir wollte aber noch nicht aufgeben und so suchten wir einen anderen Standpunkt, von dem aus uns der Hubschrauber sehen konnte. Einige Höhenmeter über uns gab es noch ein Felsköpfel auf dem sich ein Bergretter positionierte… und endlich, die Alpin 2 Crew konnte uns sehen. Nach kurzer Funk-Abklärung zwischen Flugretter und Bergretter wurde vereinbart die Patientin hier herauf zu bringen, während die Crew alles für eine Crashbergung der Patientin vorbereitet. Ein Wettlauf gegen Zeit und Wetter hat begonnen…

Hubschrauber im Nebelanflug – Höchstleistung der Crew!

Nun ging es Schlag auf Schlag… wir brachten die Patientin auf das Felsköpfel und gaben der Heli Crew Bescheid, dass wir soweit wären. Der erste Anflugversuch musste der Pilot abbrechen. Über Funk gab er uns Bescheid, dass er es nochmals versuchen wird. Wenn es aber diesmal nicht funktioniert, dann tut es ihm leid und er müsste die Bergung abbrechen. Zu dunkel und zu dicht ist bereits der Nebel. Zweiter Versuch… der Flugretter kommt uns immer näher und – oh Fortuna – wir können den Flugretter am Bein fassen und zu uns heranziehen. Nun muss alles schnell gehen: Wir helfen beim Anlegen des Bergdreieckes – und ehe wir noch was zur Patientin sagen können, sind beide auch schon weg. Die Bergung konnte in letzter Sekunde durchgeführt werden. Von uns aus war bereits nichts mehr zu sehen… eine Höchstleistung der Heli Crew – Chapeau!

Behutsamer Abstieg mit den Eltern

Inzwischen wurden Vater und Mutter für den Abstieg vorbereitet. Beide wurden ans kurze Seil genommen, um einen sicheren Abstieg zu ermöglichen. In der Zwischenzeit haben sich unsere anderen Kameraden, um die Fahrzeuge gekümmert. Sie fuhren von der Magdeburgerhütte zum Eingang der Kranebitter Klamm, um uns dort zu empfangen.  Aber davor hatten wir noch einen steilen, eisigen und kalten Abstieg vor uns.

Am Beginn des Abtieges mit den Eltern

Der Abstieg war noch lange, gut dass wir diese Gelände von unzählingen Einsätzen in diesem Gebiet bestens kennen. Konzentriertes Arbeiten war ständig erforderlich. Auch die Kälte machte sich immer mehr bemerkbar… es waren doch einige Stunden vergangen, seit wir aufgebrochen sind.

Unsere Stirnlampen zeigten uns wo es lang ging…
Einige Stufen waren auch zu überwinden…

Wir freuten uns, als wir unsere Kameraden über Funk hörten: “Wir sehen eure Lichter!” Nun war es nicht mehr weit und die warmen Autos warteten schon auf uns. Bei den Fahrzeugen angekommen, mussten noch die Formalitäten ereldigt werden, dann brachten wir die Eltern zu ihrem Fahrzeug.

Wir Bergrettungskameraden fuhren noch zu unseren privaten PKW’s nach Zirl. Nach einer kurzen Einsatz-Nachbesprechung freuten wir uns über den guten Ausgang des Einsatzes und, dass wir eine äußerst freundlichen Familie helfen konnten. Ein Lob an die Einsatzmannschaft darf nicht fehlen… toller Einsatz, tolle Leistung… ein großer Dank an die Crew des Alpin 2 Helikopters und an die Eltern für ihre volle Unterstützung. (bb)

Kronen Zeitung

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