Unser “Ziege” ist nicht mehr unter uns

Am 01.August 2023 verstarb nach schwerer Krankheit unser Kamerad Hermann Zieglauer.

Hermann, Du warst 60 Jahre Bergretter mit Leib und Seele. Du hast zur Ortsstelle Innsbruck gehört wie wenige andere. Um etwas zu beschreiben welche Lücke Du hinterlässt möchte ich ein paar Anekdoten mit Dir schildern.

Hermann Zieglauer – “Ziege”

Du hattest einen ausgeprägten Humor ohne jemals verletzend zu sein, aber mit einer Spur Anarchie. Ein Erlebnis aus Deinen jungen Jahren hast Du mir erzählt und bis heute ist sie eine meiner Innsbrucker Lieblingsgeschichten:
Du warst an der Nordkette unterwegs und es kam, dass ein Organ der Tiroler Bergwacht Deine Personalien feststellen wollte. Ob man Dir eine Ordnungswidrigkeit unterstellte oder ob es im Vorfeld zu einem intensiven Wortwechsel gekommen war weiß ich nicht. Du hast Dich geweigert dem Bergwachtler Deinen Namen zu nennen und natürlich hast Du eine Durchsuchung Deines Rucksackes abgelehnt. Nun blieb dem Bergwachtler nichts übrig als Dir hinterher zu gehen um herauszufinden wo Du wohnst. Und da hatten sich zwei gefunden. Als erstes kehrtest Du auf der Pfeis ein. Auch Dein Verfolger bestellte etwas zu Essen. Kaum hattest Du Deine Portion hast Du sie verschlungen und bist sofort wieder gestartet. Dieses Manöver reichte aber nicht um den pflichtbewussten Innsbrucker Bergwachtmann abzuschütteln. Über viele Steige und Umwege seid Ihr dann spät abends beide in Scharnitz gelandet. Als ÖBB Beamter wusstest Du, dass um diese Zeit, lange nach dem letzten Personenzug, noch ein Sammelzug für übrige Waggons von Scharnitz nach Innsbruck fuhr. Da Du im Verschub am Bahnhof warst konntest Du einfach auf die Lok aufspringen, Dein Schatten nicht. Es hatte Dich viele Stunden, Höhenmeter und Kilometer gekostet aber Du warst Deinen Verfolger los. Diese Beharrlichkeit und diese schmunzelnde Schlitzohrigkeit haben wir alle an Dir geliebt.

Du musstest viel Häme einstecken, dass Du im Zuge der ÖBB Reformen sehr früh in Pension gegangen bist. Wieviel blöde Sprüche und Witze musst Du Dir angehört haben. Aber was hätte die Ortsstelle ohne Dich und die Kameraden die ebenfalls mitten in bester Gesundheit und Kraft viel Zeit hatten, getan? Du hast bei uns nie die große Bühne gesucht, wolltest nie mit Posten belohnt werden oder große Lorbeeren ernten, Du hast einfach aus der zweiten Reihe heraus Gutes getan.

Die Seegrube und die Pistenrettung war Dein zweites Zuhause. Dir fiel auf, dass bei den Akja-Transporten immer die Ski des Verletzen im Weg waren. Also hast Du beim Schlosser zwei Bügel mit Gabeln an den Akja machen lassen, nun gab es einen Skihalter, der Akja steht bis heute auf der Grubn. Bei den ersten Karbergungen mussten die damaligen 100 Meter Seile dreimal verlängert werden, umständlich und zeitraubend. Es war Deine Idee eine Kraxe mit einem 400m Statikseil anzuschaffen um möglichst schnell in den Rinnen abseilen zu können. So lange Faserseile haben sich bis heute bewährt. Du warst der beste Akja-Fahrer den ich kenne und neben dem Skihalter gab es noch weitere Verbesserungen durch Dich. In unserem Einsatzgebiet brauchen wir oft die Bremskette, statt einer Reepschnur in der Hand brachtest Du Deine Erfahrung im Wassersport ein und wir hatten am Holm eine Kammklemme aus dem Segelsport. Unseren alten Rettungsraum auf der Westseite des Seegrubengebäudes gab es nicht ohne Dich. Auch wenn Du keinen Dienst hattest warst Du da, warst der Garant für eine Palette Schwechater unter der Bank und für fundierte Fachkommentare insbesondere bei den Übertragungen der Damen-FIS-Rennen. Als wir mit dem Umbau einen neuen Rettungsraum bekamen hattest Du in Deiner pragmatischen Art eine klare Priorität. Da wir viel mehr Zeit wartend in dem Raum verbrachten als das wir tatsächlich Patienten versorgten kam die Patientenliege in eine kleine Nische und der Rettungsraum wurde mit Eckbank und Sofa gemütlich eingerichtet. Leider war dies erledigt bevor die Betriebsstättenabnahme erfolgte und der Arbeitsschützer hatte eine andere Auffassung von der normgerechten Einrichtung eines Sanitätsraumes.

Unfassbar war Dein Gedächtnis und damit verbunden Deine riesige Ortskenntnis. Gerade ich als „Zugereister“ habe viel Nachhilfe von Dir über Ortsbezeichnungen und fast vergessene Steige auf der Nordkette bekommen. In den letzten Jahren hast Du Dich mal entschuldigt, dass Du bei den Einsätzen körperlich nichtmehr so gut mitkommst, mit Ende 70! Und dennoch, wie viele entscheidende Tipps bei Sucheinsätzen und Anmarschwegen hast Du uns gegeben weil Du wörtlich jeden Stein in unserem Einsatzgebiet kanntest. Du konntest auch plötzlich über eine Kletterroute in Griechenland berichten, in welcher Seillänge wo welcher Griff locker ist…das tun einige, aber bei Dir hat das auch noch alles gestimmt.

Wir konnten auch wunderbar streiten. Gerade bei der Umsetzung der Corona Richtlinien und ob es zumutbar wäre nur geimpfte Kameraden mit in den Einsatz zu nehmen hatten wir beide komplett unterschiedliche Meinungen. Aber wir konnten diskutieren, Du hast immer ehrlich zugehört, hast Argumente abgewogen, Gründe verstanden und Entscheidungen akzeptiert oder Meinungen revidiert. Es war eine Freude Deine kritische Meinung und Deine Erfahrung mit einzuholen und die eigenen Entscheidungen daran zu messen.

Egal was zu tun war, Du hast es für uns erledigt. Ob Du jahrelang auf der Bobbahn Dienst getan hast, ob die ASI plötzlich jemanden gebraucht hat der den Klettersteig auf der Nordkette betreut, wir dringend wen gebraucht haben der sich um die Ortsstelle kümmert oder einen Tourenwart, Du bist immer eingesprungen und hast selbstlos unterstützt.

Hermann, Du reißt ein Riesenloch in unserer Mitte.

Wie hieß es bei Deiner Beerdigung so schön: „Der letzte Gipfel den Du erklommen hast führte Dich in die Unendlichkeit“. Lass es Dir dort gut gehen und Du wirst immer einen Platz in der Erinnerung unserer Ortsstelle haben! (Matthias Haselbacher)

Jahreshauptversammlung 2023 – 60 Jahre Mitgliedschaft

 

Am 18.08.23 haben wir unseren Hermann, auf seinem letzten Weg zu seiner Ruhestätte in Mühlau, begleitet und uns gebührend, mit einem Bierchen in Hermann’s Sinne, verabschiedet. Vielen Dank an alle Kameraden die so zahlreich erschienen sind… das hat sich Hermann mehr als verdient, ruhe in Frieden. (bb)